Konkordanz und Kompromiss


    Die Stimme der KMU und der Wirtschaft


    (Bild: zVg) Henrique Schneider

    Die Bundesratswahlen haben es wieder gezeigt: Die Konkordanz lebt. Kaum waren die Magistraten gewählt, besangen sie den Kompromiss. Beides sind Stärken der Schweiz. Und auch Schwächen.

    Allen sensationslustigen Erfindungen der wenig gehaltvollen Schweizer Medien zum Trotz ist der wahrscheinlichste Kandidat in den Bundesrat gewählt worden. Es war nämlich vom Anfang an klar, dass die Bisherigen wiedergewählt würden. Genauso klar war die Wahl eines offiziellen SP-Kandidaten. Als Basler und SP-Mainstreamer hatte Jans die besseren Karten.

    Natürlich haben die Medien ihre Gschichtli erfunden. Aber faktenfreies Fabulieren ist ja ihre Spezialität. Deshalb nimmt man sie nicht ernst und zunehmend auch nicht war. Auch wenn sich die Medienhäuser in Zürich und im Aargau das Ende der Konkordanz herbeisehnen, ist die reale Schweiz weit von den feuchten Journalistenträumen entfernt.

    Es gehört nämlich zur Besonderheit der Schweizer Demokratie, dass man politische Entscheidungsfindung teilt. Was beinahe überall auf der Welt als Wettbewerb ausgestaltet ist, ist in der Schweiz eine Kooperation. Im hiesigen System werden politische Gegner weder niedergemacht noch ausgeschlossen, sondern man bezieht sie ein. Denn auch sie repräsentieren Menschen und schliesslich ist die Politik für die Menschen da.

    Die Konkordanz ist deshalb auch eine Stärke des Landes. Die gleiche Kooperation, die man politisch pflegt, hält man auch als Sozialpartnerschaft aufrecht. Diese Kooperation findet man in der Wirtschaft, in der Kultur, in der Zivilgesellschaft und eigentlich überall. In der Schweiz lernt man, aus der Vielfalt der Meinungen Ressourcen zu generieren. Auch deswegen ist das System Schweiz besser – viel besser – als die anderen Länder.

    Zusammen mit der politischen Konkordanz kommt der Kompromiss. Politisch setzt man sich für Lösungen ein. Statt aber ein Maximum herauszuholen, wird ein Optimum gesucht. Schweizer Lösungen genügen der Realität des Landes, nicht den Theorien der Politik oder Ideologien der Politiker. Auch das ist eine Stärke. Man muss politisch den Mut haben, zu geben und zu nehmen.

    So weit so gut.
    Doch diese zwei Stärken – Konkordanz und Kompromiss – können schnell zu Schwächen werden. Denn sie sind nicht Werte an sich. Sie sind Arbeitsweisen. Und so gut sie als Arbeitsweisen sind, kann ihnen nicht alles untergeordnet werden. Es ist wie im Alltag: Wer kocht, kocht, um zu essen und nicht des Kochens wegen. Politik dient den Menschen und nicht der Konkordanz oder dem Kompromiss.

    Wenn Konkordanz und Kompromiss als eigenständige Werte ausgelegt werden, denn es alles unterzuordnen gilt, führen sie zum Stillstand. Statt eine bereichernde Arbeitsweise werden sie dann zu reinen Bewahrungsmechanismen. Im schlimmsten Fall werden die zu Unterdrückungsinstrumenten, nämlich dann, wenn das Wohl der Menschen ihnen unterordnet wird.

    Ein Beispiel dafür ist die Diskussion um die Versorgungssicherheit der Schweiz mit elektrischem Strom. Da werden Kompromisse zwischen der Nutzung und dem Schutz der Natur gemacht. Diese Kompromisse sind eine Arbeitsweise. Sie bezwecken eine sichere, günstige und gerechte Versorgung der Menschen. Weil es verschiedene Interessen der Menschen selbst gibt, muss man sie in einer politischen Lösung ausbalancieren.

    Ganz anders ist es, wenn man von der Schweiz verlangt, eine Regulierung der Europäischen Union EU einzuführen, nur weil sie von der EU kommt. Auch wenn die Übernahme die Frucht eines politischen Kompromisses ist, dient sie eben nicht den Menschen. Hier unterordnet man die Menschen unter dem Kompromiss. Das ist schädlich und schwächt deswegen das Land.

    Konkonrdanz und Kompromiss – die Unterscheidung zwischen ihnen als Arbeitsweise und als Unterordnung ist wichtig und gleichzeitig schwierig. Sie ist das politische Können, das gute Magistraten und Parlamentarier ausmacht. An dieser Unterscheidung scheiden sich jene, die das Gute für die Schweiz wollen, von denen, die nur politische Macht wollen.


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    Zur Person:
    Henrique Schneider ist Verleger der «Umwelt Zeitung». Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.

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