Nach den Wahlen ist vor den Wahlen – Rückblick

    (Bild: zVg) Eric G. Sarasin

    Wir Schweizer sind sehr privilegiert, indem wir unsere Volksvertreter direkt wählen können und dabei die Auswahl zwischen diversen Parteien von links bis rechts haben, obendrein können wir mit den Kandidaten direkt sprechen und uns somit eine ausgewogene Meinung zu politischen Ansichten bilden.

    In diesem Herbst notiert man zuerst, dass die Wahlbeteiligung auf 45,1% (-3,4%) gesunken ist. Das bedeutet also umgekehrt, dass mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger nicht gewählt hat, aus Desinteresse oder anderen Gründen. Das war zwar immer schon so, aber ich finde es ausgesprochen schade, wenn Menschen diese Möglichkeit in unserer direkten Demokratie nicht wahrnehmen.

    Wenn sie nämlich ins nähere und weitere Ausland schauen, wird entweder einmal alle zig Jahre gewählt, es wird bestimmt, wer zur Auswahl steht, oder es gibt schliesslich nur zwei Parteien, die zur Auswahl stehen (USA). Dazu kommt noch in den meisten Ländern eine grosse Portion Korruption dazu, d.h. eine kleine Elite bestimmt, wen sie selbst an der Spitze ihres Landes hievt.

    Zurück in die Schweiz und zum Wahlkampf in der Schweiz. Ich muss feststellen, dass der Wahlkampf – wie auch aus dem Ausland kommentiert – recht zahm zu- und herging. Man ist anständig, respektvoll und schlussendlich – wie ein englischer Journalist bemerkt hat – ist der Wahlkampf langweilig (mit ein paar Ausnahmen). Diejenigen, die anecken oder provozieren (z.B. Roger Köppel) bekommen meistens eine aufs Maul, was zeigt, dass die Schweizerinnen und Schweizer keine Grossmäuler oder Provokanten wollen wie in Deutschland oder den USA. Wir mögen das Mittelmass und die Ausgewogenheit, um nicht zu sagen Harmonie!

    Das ist alles okay, doch dieses Mal war es anders, dem Klimawandel sei Dank! Dieses Thema hat den Wahlkampf bestimmt, und der Greta-Effekt hat alle Gesellschaftskreise erfasst. Wer sich nicht zu Massnahmen gegen den Klimawandel geäussert hat, wurde verpönt und geächtet. Die Bilder von donnernden Stürmen, schmelzenden Gletschern und aussterbenden Spezies, begleitet durch präzise Prognosen von Wissenschaftlern und Mahnungen von Aktivisten führte dazu, dass diverse Politiker, vor allem von links mit wortstarken Absichtsserklärungen kamen. Die Medien spielten dabei eine entscheidene Rolle, denn sie haben die Menschen (weltweit) mit einer breiten Klaviatur an Kommunikatoren, Botschaften und Darstellungsformen stark beeinflusst. Im vergangenen Wahlkampf spielte der Klimawandel vor allem den linken Parteien in die Hände, ganz besonders der Grünen Partei und der GLP. Dabei ist mir aufgefallen, dass insbesondere in diesen Parteien 80% der Kandidatinnen und Kandidaten nicht viel von Klimawandel verstehen, ausser dass sie vielleicht ein paar Zahlen kennen, z.B. dass der CO2-Ausstoss der Schweiz weltweit gesehen auf 0,11% kommt. Ausserdem sind aus meiner Sicht die Massnahmen, die aus der Politik gefordert werden, oft ein laues Lüftchen sind und nicht greifbar. Aber per Definition sind die grünen Parteien in dieser Debatte bevorteilt. Da ist es doch lächerlich, wenn die SVP sagt, sie sei mit ihren Bauern schon immer für das Klima gewesen, und ihr Logo sei schliesslich auch grün und werde beim Abkratzen auch nicht rot, sondern bleibe grün! Ein kläglicher Versuch, auch noch schnell auf diesen Wagen zu springen. Auch die FDP hat plötzlich einen Schwenker gemacht, als sie merkte, dass ihr langsam die Felle davonschwimmen. Frau Gössi hat dann deklariert, dass die FDP klare Stellung für das Klima beziehen wolle, dies jedoch innerhalb der Partei nicht so richtig kommuniziert. Schliesslich die SP, zweitstärkste Partei der Schweiz: Abgesehen von wenigen Ausnahmen wurde die SP im Sog der Grünen mitgezogen und hat sich sofort auf dieses Trittbrett begeben, obwohl auch von ihnen in der Klimadebatte nicht viel kam.

    Jetzt noch zu den Kandidatinnen und Kandidaten, die uns zur Auswahl standen. Die Auswahl war zwar gross, doch musste man fast eine Bedienungsanleitung hinzuziehen, um die Wahlunterlagen, vor allem für die Nationalratswahlen, zu verstehen und die diversen Listenverbindungen nachzuvollziehen. Ja, die Auswahl war gross, doch würden viele der Kandidaten in der Privatwirtschaft nicht einmal einen Portierjob bekommen! Vielleicht behaupten jetzt einige, ich hätte keine Ahnung und es sei eine Frechheit, was ich hier behaupte. Schliesslich «opfern» sich diese Personen, da sie neben ihrem Job noch etwas für das Vaterland tun, nämlich politisieren. Natürlich habe ich Respekt, und das alles ist wichtig für unsere direkte Demokratie, aber ich würde mir wünschen, dass Kandidatinnen und Kandidaten sich aufstellen lassen, weil sie Substanz und Erfahrung haben, und so einen Beitrag zur politischen Bildung leisten. Leider beobachte ich, mindestens am Beispiel Basel, wo ich wohne, dass es mehrheitlich bei vielen Kandidaten ein Egotrip ist. Wenn Sie sich einmal die Zeit genommen haben, dann haben Sie vielleicht die eine oder andere Fernsehdebatte national und regional verfolgt. Das ist sehr anstrengend, und am Schluss fragt man sich, was nun wirklich ausgesagt wurde. Summa summarum schafften es am Schluss doch ein paar sehr gute Politikerinnen und Politiker in die höheren Ämter, wie z.B. Eva Herzog und Christoph Eymann aus Basel, Ruedi Noser und Roger Köppel aus Zürich, oder Marianne Binder-Keller aus dem Aargau. Auf der anderen Seite straft der Souverän jemanden wie Christian Levrat ab, der in den zweiten Wahlgang gehen muss, weil seine diffuse Politik nicht mehr ernst genommen wird.

    Obwohl die SVP weiterhin mit Abstand die stärkste Partei der Schweiz ist, ist der Zuwachs aus dem grünen Lager beträchtlich und das finde ich auch gut. Nur die Substanz muss erhöht werden, dann wird sich auch ein Kandidat(in) ergeben, der vielleicht eines Tages im Bundesrat Einsitz nehmen wird. Zulasten der CVP würde ich das begrüssen.

    Nach monatelangem Wahlkampf weiss ich nicht wie es Ihnen geht, aber ich bin froh, dass wir nicht mehr die Wahlplakate an jeder Strassenecke anschauen müssen (unweigerlich), oder uns von allen Medien mit Wahlartikeln und Wahlsendungen berieseln lassen müssen. Jetzt haben wir wieder mindestens für die nächsten vier Jahre Ruhe, und die Gewählten können zeigen, was sie können.

    Ich würde nicht soweit gehen zu sagen wie George Bernard Shaw es tat: «Die Politik ist das Paradies für zungenfertige Schwätzer», aber das alte Zitat vom deutschen Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt hat immer noch seine Gültigkeit: «Die heutige politische Klasse ist gekennzeichnet durch ein Übermass an Karrierestreben und Wichtigtuerei und durch ein Übermass an Geilheit, in Talkshows aufzutreten.»

    Die Hoffnung, dass gute Politik auch für das Volk einen Nutzen hat und im Zusammenspiel mit der Wirtschaft positive Resultate für unsere Volkswirtschaft hervorbringt, habe ich nicht aufgegeben. Also beobachten Sie und gehen Sie wählen. In vier Jahren ist es wieder soweit!

    Eric G. Sarasin


    ZUR PERSON

    Eric G. Sarasin ist Inhaber seiner Familienfirma «White Sail Consulting AG», von welcher er aus verschiedene Verwaltungsratsmandate inne hat, in Unternehmen investiert und Jungfirmen berät. Er ist in diversen wohltätigen Organisationen aktiv, wie bei der Krebsliga beider Basel, der Stiftung «Race for Water» und in mehreren Stiftungsräten.

    Eric G. Sarasin ist verheiratet mit einer Amerikanerin und Vater von vier Kindern. Zu seinen Hobbies gehören sportliche Aktivitäten wie Joggen, Yoga, Golf, Fussball und Langlauf. Zudem interessiert er sich für die Filmwelt und Politik.

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