«Lasst die Hände davon!»

    Falsche Versprechungen, fehlende Bewilligungen, schlechte Zahlungsmoral – die Vorwürfe gegen den Österreichischen Unternehmer Christian Neuschitzer und seine Arztpraxen-Ketten «MeinArzt» wiegen schwer. Die Rundschau brachte kürzlich einen Beitrag darüber. Der Aargauer Hausarzt Riccardo Regli wurde ebenso von ihm hintergangen wie viele andre Schweizer Hausärzte, konnte sich aber rechtzeitig von der Organisation trennen. Er warnt seine Kollegen vor den Machenschaften des zwielichtigen Unternehmers.

    (Bild: zVg) Dr. med. Riccardo Regli aus Seon hat mit dem Label «MeinArzt» des Österreichers Christian Neuschitzer äusserst schlechte Erfahrungen gemacht und sich dagegen erfolgreich gewehrt.

    Kürzlich kam in der Rundschau des SRF ein Bericht über die Machenschaften des Österreicher Christian Neuschitzer, der in der Schweiz Arztpraxen übernimmt. Auch Sie haben ihm 2018 ihre Praxis überschrieben. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?
    Dr. med. Riccardo Regli: Als «alter» Hausarzt mit 26-jähriger Erfahrung im Beruf und als selbstständiger Geschäftsführer habe ich sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Über ein Jahr – von September 2018 bis im November 2019 – habe ich Geduld gehabt, bis ich dann doch sagen musste: Nein, mit dem Label «MeinArzt» haben weder ich, noch andere Kollegen, noch die Grundversorgung in der Schweiz eine Zukunft.

    Wieso haben Sie ihm seine Praxis überschrieben, gab es keinen anderen Bewerber?
    Einzelinteressenten nicht, Praxisorganisationen schon, unter anderem vermittelt durch Christian Neuschitzer, als er noch ausschliesslich als Ärztevermittler tätig war. Gemäss Feedbacks von ihm war dann aber keine einzige dieser Organisationen zum Übernehmen der Praxis bereit. Ob dies so stimmt oder eher von Neuschitzer so weitergegeben wurde, weil er mich bereits als erstes Opfer für sein Projekt auserwählt hatte, bleibe dahingestellt.

    Er hat Ihnen zugesichert, vertraglich Teilhaber der neuen GmbH zu werden, hat sich aber nicht darangehalten. Wie ist das abgelaufen und was haben Sie dann gemacht?
    Das war die Köderidee, zu der kein Grundversorger der älteren Generation nein sagen kann. Es hätte tatsächlich die «MeinArzt»-Organisation aus der Masse der anderen Ketten hervorgehoben. Der ältere Grundversorger hätte damit, nebst seiner fachlichen auch seine geschäftlichen Kenntnisse und Erfahrungen eingebracht und zusammen mit dem CEO Neuschitzer die Führung übernommen. Abgelaufen ist es dann so, dass Neuschitzer, entgegen seiner Abmachung, bereits mir faktisch die Teilhaberschaft verweigerte und dies bis zuletzt spüren liess. Von gegenseitiger Befruchtung, Kooperation und Koordination, Transparenz und gemeinsamer Planung war nicht die Rede. Bereits ich bin dauernd übergangen, nicht gefragt und informiert, und vor vollendeten Tatsachen gestellt worden. Als anlässlich einer Mediation am 10. September 2019 das Thema Teilhaberschaft angesprochen wurde, da reagierte Neuschitzer wie von der Tarantel gestochen…

    Welche Missstände herrschen sonst noch in den Firmen von Christian Neuschitzer?
    Sehr viele. Alle aufzuzählen würde leider den Rahmen unseres Interviews sprengen. Soviel sei aber gesagt: Dass ausschliesslich völlig unerfahrene, ausländische Ärzte in den Praxen eingesetzt werden, ohne dass diese über eine längere Zeit von einem erfahrenen Schweizer Hausarzt begleitet würden – Neuschitzer sucht leider gerade solche Praxen nicht –, senkt die Qualität der Grundversorgung in diesen Praxen erheblich. Zudem habe ich bis zum Ende meiner Zusammenarbeit mit Neuschitzer krasse Verstösse gegen das Datenschutzgesetzt beziehungsweise die Patientendaten erlebt. Ob jetzt endlich Neuschitzer und dem gesamten Backoffice jeglicher Zugang zu den Patientendaten abgeblockt worden ist und ausschliesslich die Patienten-Rechnung einsehbar ist, müsste untersucht werden. Ebenfalls, ob ärztlich blockierte Rechnungen nicht durch Neuschitzer beliebig deblockiert und versendet werden können.

    Sie haben es geschafft, sich rechtzeitig von der ausländisch geführten «MeinArzt»-Organisation zu trennen. Wie haben Sie das bewerkstelligt?
    Dadurch, dass ich mich glücklicherweise nie in der totalen Abhängigkeit eines angestellten Arztes befunden habe, konnte ich Neuschitzer, der mir eigentlich Ende Oktober kündigen wollte, mit der Auflösung des gesamten Vertrages kontern und die Praxis selbständig übernehmen, ungeachtet, dass Neuschitzer sie vorerst weiterhin als zum Label «MeinArzt» gehörend betrachtet…

    Nach wie vor versucht Neuschnitzer Ihnen mit der Hallenbadpraxis in Seon zu schaden. Erklären Sie das?
    Neuschitzers Vorhaben mit der Hallenbadpraxis – seit ich nicht mehr dort hingehen wollte und konnte – war von Anfang an leicht durchschaubar: In der Hoffnung, ich könne sowieso nicht mehr in der gekündigten Praxis an der Talstrasse 7 in Seon bleiben und werde demnächst in Rente gehen, dort möglichst bald Patienten abzuziehen und in die Hallenbadpraxis einwalken zu lassen. Darum bewirbt er auch die Hallenbadpraxis intensiv und nimmt gerne in Kauf, dass man sie als Nachfolgepraxis der Talstrasse 7 in Seon sehen kann.

    Was raten Sie Ihren Kollegen, die einen Nachfolger für Ihre Praxis suchen?
    Lasst euch nicht täuschen und lasst die Hände von Neuschitzers Label «MeinArzt».

    Wieso ist es so schwierig für Hausärzte einen Nachfolger zu finden?
    Weil es eben zu wenige hat, Schweizer sowieso aufgrund der aktuellen Bildungspolitik. Auch ein Neuschitzer kann da rein gar nichts ändern, auch wenn er so tut wie wenn.

    Was ist Ihr grösstes Anliegen bezüglich diesem fragwürdigen Hausarzt-Label?
    Dass es rechtzeitig scheitert, bevor er schweizweit weiteres Unheil angerichtet hat.

    Interview: Corinne Remund

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