Kriminaltourismus: «Gelegenheit macht Diebe… »

    Gehören Basel und Baselland wirklich zum Schweizer Hotspot für Kriminaltourismus?

    Basel soll – neben Genf – aufgrund der Grenznähe und der so genannten «importierten Kriminalität» seit Jahren der neue Schweizer «Kriminalität-Hotspot» sein. Viele mittelschwere Delikte und kleinkriminelle Straftaten würden nämlich von «Auswärtigen» begangen.

    (Bild: Shutterstock) Ob Einbruchs- oder sonstiger Diebstahl: Durch die vorübergehende «wiederkehrende Normalität» im Sommer 2021 eröffnen sich wieder mehr Gelegenheiten für Kriminaltouristinnen und -touristen.

    Basel wird eher als eine sichere Stadt empfunden. Das ist sie ohne Zweifel nach wie vor, da (noch) keine «Problemviertel» existieren oder entstanden sind (wir haben darüber berichtet). Die Stadt geniesst hierzulande aber auch in ganz Europa und sogar in weiten Teilen der Welt ein herausragendes Image als weltoffene, kompakte und lebendige Eventstadt.

    In der Schweiz jedoch, wurde Basel-Stadt aufgrund der letzten Kriminalstatistiken und fortlaufenden Polizeimeldungen mit negativen Schlagzeilen auf einmal in die Ecke der «statistisch kriminellsten Schweizer Stadt» gedrängt. Was sie eigentlich ja nicht ist, wenn man die Auswertungen genauer betrachtet. Denn die meisten Delikte sind der Sparte der Kleinkriminalität zuzuweisen. Was bei der Basler Kriminalstatistik «einschenkt» sind Schlägereien zwischen rivalisieren- den Gruppen im Nachtleben, Diebstahl und eben auch Vergehen von so genannten Kriminaltouristen.

    Der «Zentrumseffekt»
    Der Kanton erklärt dies mit so genannten «Zentrumseffekten» und der verschiedenen Grenzübergängen (Dreiland). Die Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur sei zudem anders als auf dem Land, und das Landvolk feiere den Ausgang in der Stadt. Leider geschieht dies bei vielen zunehmend so exzessiv, dass immer öfter Schlägereien und sonstige Zwischenfälle registriert werden müssten.

    Wir hatten zu diesem Thema auch schon verschiedentlich mit Ex-Kriminalkommissär und dem langjährigen Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Markus Melzl gesprochen. Er weiss, wie man die Kriminalstatistiken liest und interpretiert, kann zwischen den Zeilen lesen und nimmt seit seiner Pensionierung von den früheren Funktionen kein Blatt vor den Mund. So betont er auch Dinge, die man oft in den Medien oder auch bei verschiedenen offiziellen Pressestellen der Ämter aufgrund der «Political Correctness» gerne nicht so prominent verkündet: «Ein Beispiel hierfür ist die Ausländerkriminalität. Dieser Aspekt darf auf keinen Fall ausgeklammert werden. Über 50 Prozent aller Straftaten nach Strafgesetzbuch werden durch Ausländer begangen. Diese Zahlen sind heikel in der Interpretation, sagen aber auch viel aus. Auch wenn man dies inso- fern relativiert, dass von diesen über 50 Prozent zusammengesetzt deren über 30 Prozent von der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung und der Rest von Personen aus dem Asylbereich und von Kriminaltouristen verübt werden.»

    Höflichkeit der Polizei als Schwäche interpretiert?
    Die Zentrumsfunktion spielt auf jeden Fall eine Rolle. Viele Leute aus dem badischen und elsässischen Umfeld reisen nach Basel, um hier in den Ausgang zu gehen. Und auch etliche Personen aus den französischen Problemvierteln der Regionen um Mulhouse kommen gerne nach Basel und schrecken auch vor Delikten und Gewalttaten nicht zurück, wird beobachtet. Markus Melzl in einem früheren Interview an dieser Stelle: «Die Basler Polizei wird von diesen Tätern als sehr korrekt wahrgenommen, was von nicht wenigen aus gewissen Kulturkreisen auch als Schwäche ausgelegt wird. Unser Justizsystem wirkt dann auf gewisse Täter auch nicht sonderlich abschreckend.»

    (Bild: Kt. Basel-Stadt)
    Immer wieder ein Thema: Ausschaffung einer auswärtigen Person, die des Kriminaltourismus bezichtigt wird. Nur ein Tropfen auf den heissen Stein?

    Menschen suchen die Städte auf, um abzufeiern
    Es liege auch auf der Hand, dass viele Menschen die Städte aufsuchen, um dort in den Ausgang zu gehen. So ist es auch verständlich, dass es in diesen Bereichen zu mehr Delikten kommt. Und nach den ganzen Pandemiemonaten hatte sich zudem noch vieles angestaut – auch der Wunsch nach exzessives Verhalten. Bei einigen widerspiegelt sich dies unter anderem und gelegentlich auch in inadäquates Verhalten.
    Das für viele vielleicht «Empörendste», was aus den Statistiken der nahen Vergangenheit hervorgeht, ist die Tatsache, dass zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte fast schon als «salonfähig» betrachtet wird. Empörend deshalb, weil somit jegliche Grenzen des Respekts gegen eine Staatsgewalt schwindet oder aufgeweicht wird. Ist es sogar eine «coole Herausforderung», sich gegen Polizeibeamte unflätig oder gewaltbereit zu zeigen? Es sei dies ein allgemeiner Trend, den man in der gesamten Gesellschaft beobachten könne, sagen Melzl und andere Fachleute, die sich in diesem Bereich auskennen. Man liesse sich nichts mehr sagen und ganz grundsätzlich hapert es an der Achtung seiner Mitmenschen gegenüber. Die sogenannte Generation «Schneeflöckchen» (Zitat Markus Melzl) reagiere dann ganz schnell hochbetroffen, wenn diese irgendwelchen polizeilichen Anordnungen Folge leisten müsse. Staatliche Instanzen würden, wenn nicht als feindselig, so doch zumindest als höchst lästig wahrgenommen.

    «Erholung» im Pandemiejahr 2020 – «Back to the Future 2021»?
    Im Pandemiejahr 2020 las sich die Statistik für Basel-Stadt und Baselland schon besser: Die Kriminaltouristinnen und -touristen kamen aufgrund der besonderen Corona-Lage und -Beschränkungen weniger in die Grenzregionen. Und auch die Tatsache, dass Homeoffice betrieben wurde und die Empfehlungen bestanden, so oft wie möglich zuhause zu bleiben, hat dem «Kriminaltourismus- Business» geschadet. Nun jetzt, mit der neu entfachten Reiselust und den Menschen, die sich wieder viel öfter ausserhalb den eigenen vier Wänden bewegen (aus privaten wie auch geschäftlichen Gründen), wittern die Kriminaltouristen nun wieder speziell in diesem Sommer 2021 ihre grosse Chance.
    Und dies nicht nur in Basel- Stadt, auch in den benachbarten Kantonen mit einer Grenze zu Frankreich oder Deutschland, finden Kriminaltourismus ein optimales Feld für Einbrüche vor: Einige Schweizer Grenzorte bieten nämlich gute Fluchtwege. Die eigentlich sehr gute Location wird so zu einem «Nachteil». Einbrecher zum Beispiel operieren äusserst gerne in grenznahem Gebiet, wo die Strassen frei sind und eine «grüne Grenze» verläuft. Meistens gehen nur bei Routinekontrollen und Hinweisen aufmerksamer Bürger die Diebe der Polizei ins Netz. Lange wurden die Einbruchswellen zudem im Baselbiet und im Schwarzbubenland bagatellisiert. Schon vor Jahren forderte zum Beispiel ein Kantonsrat – Silvio Jeker aus Erschwil – im Kantonsrat mit einem dringlichen Auftrag sofortige und mit dem Kanton Basel- Landschaft koordinierte Massnahmen gegen die Einbruchs- welle in grenznahen Gemeinden des Schwarzbubenlandes. Das Problem ist nicht nur eine eher überschaubare Polizeipräsenz, bei welcher man nun mit einer engeren Zusammenarbeit mit Baselland ansetzen möchte. Es sind die für Kriminaltouristen äusserst attraktiven Fluchtwege, welche die Region für Diebestouren so interessant macht. Besonders über die grüne Grenze bei Flüh wird gern «geflüchtet», wie Insider berichten.

    «Bloss keine Selbstjustiz» – Eskalation droht
    In einigen Gemeinden wurde der Ruf nach einer «Bürgerwehr» laut. Dass man von Seiten der Behörden von Bürgerwehren und «Selbstjustiz» abraten will, ist verständlich. Die Gefahren für Überreaktionen seien nicht zu vernachlässigen. Und: Das Eingreifen «ungeübter Personen» sei kaum zielführend und berge das Risiko einer gefährlichen Eskalation in sich. Zudem sei das staatliche Gewaltmonopol unantastbar. Selbstjustiz ist ein zu heikles Thema. Aber: Es brauche Belege für Erfolge im Kampf gegen die Einbruchswelle, damit dass das Vertrauen in die Polizei und somit in den Kanton in den hauptsächlich betroffenen Gemeinden Bestand habe, wird von vielen moniert.

    JoW, DaC, ChaS

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