Lebensverhältnisse haben sich verändert – auch mit Auswirkungen auf die Umwelt
Weniger Konsum, stornierte Ferienreisen, weniger beruflicher Verkehr und Homeoffice: Die Lebensverhältnisse haben sich für viele stark verändert – auch mit Auswirkungen auf die Umwelt. Wie ist das Potenzial der Verhaltensänderungen für mehr Nachhaltigkeit in der post-coronalen Zeit?
Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt viele Projekte, die sich mit den Auswirkungen der Coronakrise auf Umwelt und Nachhaltigkeit beschäftigen. So reflektierte beispielsweise im August 2020 der Online-Kongress von eco.ch die nachhaltigen Lehren aus der Coronakrise für Biodiversität und Suffizienz. Mit einer Social-Media-Kampagne hat UP Umweltplattform Menschen in der ganzen Schweiz mit persönlichen Geschichten, Tipps und Tutorials zu einem genügsamen Leben während Corona inspiriert. Das Centre for Development and Environment CDE der Universität Bern untersuchte zudem in einer Studie krisenbedingte soziale Innovationen als Potenziale für eine sozial-ökologische Transformation. Zudem hat das CDE Forschende zu verschiedenen Vernetzungsanlässen zusammengebracht. Ziel ist es, aktuelle Forschungsvorhaben vorzustellen, Synergien zu nutzen und gemeinsame Aktivitäten zu identifizieren (Quelle: Mercator Schweiz).
Anreize für Energiesuffizienz
Der verringerte Pendelverkehr ist einer von verschiedenen Energieeinspar-Effekten, ausgelöst durch die Massnahmen im Zusammenhang mit Covid-19. Eine Studie des Forschungsbüros Rütter Soceco, herausgegeben von der SES Energiestiftung und gefördert von der Stiftung Mercator Schweiz, diskutierte Effizienzpotenziale, die auch in Post-Corona-Zeiten genutzt werden könnten. Tatsächlich führten die – wenn auch unfreiwilligen – gesellschaftlichen Verhaltensänderungen in Zeiten der Coronakrise zu einer Senkung von Umweltbelastung, Energieverbrauch und Emissionen. Die Studie zeigt energetische Effekte von Covid-19 auf – und wie es gelingen kann, die positiven Veränderungen auch nach der Coronakrise beizubehalten. Potenzial sei, gemäss Studie, insbesondere im Bereich Homeoffice auszumachen: weniger Pendelverkehr, weniger Energiebedarf in den Bürogebäuden. Jedoch gibt es auch andere Fachleute, die darauf hinweisen, dass während der Pandemie der Energiebedarf zuweilen auch gestiegen sei durch den Digitalisierungsschub in vielen Branchen, durch Homeoffice und Streaming (Online-Konferenzen und andere berufliche Tätigkeiten auf digitalem Wege oder auch Entertainment).
Mehr Effizienzgewinn für den Umweltschutz
Eine andere Studie der Universität Zürich aus dem Jahre 2017 konnte schon aufzeigen, dass ist die Digitalisierung ein wichtiger Faktor für eine klimaneutrale Wirtschaft in der Schweiz ist. Digitalisierung habe das technologische und wirtschaftliche Potenzial zur Vermeidung von über dreimal mehr Treibhausgasemissionen als die Menge von Emissionen, die aus der Herstellung, dem Betrieb und der Entsorgung von elektronischen Geräten und Infrastrukturen resultiert. Gestützt wird dieses Resultat auch von einer neuen Studie der Universität Zürich und der EMPA aus diesem Herbst: Mit der 5G-Technologie können Treibhausgasemissionen eingespart werden, da neue Anwendungen möglich werden und die Digitalisierung effizienter genutzt wird.
Dank dem Einsatz von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien können mehr Daten gesammelt, Systeme ausgeklügelter gesteuert, neue Erkenntnisse gewonnen und neuartige Dienstleistungen erbracht werden. Dazu gibt es konkrete Beispiele: Die Digitalisierung ermöglicht über den Einsatz von Sensoren eine intelligente Heizsteuerung in Wohnungen und Büros. Sie ermöglicht Carsharing und eine kundenfreundliche Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. Oder sie hilft dabei, Äcker präzise zu düngen und Pestizide gezielt anzuwenden, wodurch Biodiversität geschützt wird (Quelle: economiesuisse). Digitalisierung ermöglicht aber auch einen papiersparenden Geschäftsbetrieb oder macht die physische Präsenz bei Meetings überflüssig, was sich in der aktuellen COVID-Krisenzeit als besonderer Vorteil erwiesen hat. Auch gesamtwirtschaftlich befeuert die Digitalisierung den Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungswirtschaft. Das führt zu einem deutlich tieferen relativen Ressourcenverbrauch in Produktion und Konsum (s. div. Quellen).
Digitalisierung und «umweltfreundliche Wissensvermittlung»
Digitale Kanäle erleichtern – so die Studie ausserdem – die Wissensbildung. Und die Wissensvermittlung. Besonders im Bereich der Tertiärbildung haben einige Anbieter im Bereich Erwachsenen- und Berufsbildung von einem Wissens- und Umsetzungsvorsprung profitiert. So zum Beispiel die Lernwerkstatt Olten www.lernwerkstatt.ch. CEO Daniel Herzog zum Thema Innovationsschub und den Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeit: «Die Corona-Krise hat in der Bildung einen noch nie da gewesenen Innovationsschub ausgelöst. Heute verfügen die meisten Schulen der Erwachsenenbildung über das Know-how virtueller oder hybrider Unterricht anzubieten. Es gibt ausserdem nur wenige gute Gründe, dass sich jeden Tag zehntausende von Menschen durch den Verkehr quälen, ihre Zeit vergeuden und die Umwelt belasten um zur Universität, zur Berufsfachschule oder ins Seminarhotel zu gelangen. Der Mensch lebt zwar von der Begegnung und von sozialen Kontakten. Diese Bedürfnisse müssen aber nicht zwingend in der Bildung befriedigt werden.» Die Teilnehmenden hätten, so Herzog weiter, während des Corona-bedingten virtuellen Unterrichts dessen Vorzüge kennen- und schätzen gelernt. Gerade der Wegfall von Reisezeiten würde sehr geschätzt. «Und die Umwelt dankt es», so Herzog.
JoW
Quellen: economiesuisse, Stifung Mercator